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Jena: Ein umtriebiger, ehemaliger Bankdirektor aus Jena hilft Unternehmern: Warum viele den richtigen Zeitpunkt zum Absprung verpassen.
„Meine Kunden erreichen mich jederzeit, selbst im Urlaub. Meine Arbeit kann ich nicht delegieren.“ Das sagt Steffen Glaubrecht (55) aus Jena, der die Geschäfte der „collective avantgarde corporate finance GmbH“ führt. Seine Aufgabe: Unternehmenskäufe und -verkäufe einzufädeln oder eine passende Unternehmensnachfolge zu organisieren.
Glaubrecht war 2009 an die Spitze der vor nun 25 Jahren gegründeten Jenaer Firma gewechselt. Der vorherige Bankdirektor wollte endlich selbst Unternehmer sein und das Beratungsgeschäft deutlich ausbauen: „Auf unserem Geschäftsfeld haben wir wenig Wettbewerb, weil die Unternehmenslandschaft in Ostdeutschland sehr kleinteilig ist.“ Deshalb brauche es einen sehr guten Vertrieb, um an die Mandate von mittelständischen Unternehmen aus klassischen Branchen zu kommen. Er habe eine Liste von 8000 potenziellen Kunden aufgestellt und über ein Callcenter kontaktieren lassen.
Transaktionen im Wert von 215 Millionen Euro abgewickelt
Dieser Plan führte dazu, dass die Firma Transaktionen im Wert von 215 Millionen Euro abgewickelt hat. Inzwischen hält sie Anteile am Callcenter, das noch heute einmal jährlich in Kontakt mit den 8.000 Unternehmen steht. Pro Jahr ergeben sich daraus zehn Mandate, an denen Glaubrecht arbeitet. In der Firma ist zwar nur er hauptberuflich angestellt, aber er hat ein Team von Rechtsanwälten, Steuerberatern und einen Wirtschaftsprüfer vereint, die gemeinsam anpacken. „Insgesamt greifen wir auf ein Team von 100 Spezialisten zu.“
Zunächst analysiert er bei einem Verkaufsinteresse die Lage des Unternehmens, stellt Listen von potenziellen Käufern auf. „Meist handelt es sich um Wettbewerber oder Finanzinvestoren. Infrage kommen aber auch Lieferanten oder Kunden des Unternehmens“, sagt Glaubrecht, der nicht nur vermittelt, sondern auch die Verkaufsverhandlungen und Abwicklung begleitet. Unterschiede zwischen west- und ostdeutschen Unternehmern erkennt er keine. Viele überschätzten den Wert ihrer Firma. „Da ist Geschick gefragt, beide Seiten zur Zufriedenheit zusammenzuführen.“
Manche Unternehmer verpassen den richtigen Zeitpunkt für den Verkauf
Der Jenaer beobachtet, dass vor allem Unternehmer der Jahrgänge 1945 bis 1955 schwer loslassen können. „Diese Generation erkennt nicht den richtigen Zeitpunkt für den Verkauf“, sagt Glaubrecht. Gerade boome die Elektrobranche und die Automatisierungstechnik, was beim Verkauf helfe. Schwierig sei es hingegen aktuell im Baubereich. Er beobachte, dass vor allem große Unternehmen einkaufen und die Zahl inhabergeführter Firmen im Osten sinkt.
Anteile vermittelt Glaubrecht nur an professionelle Käufer. Für Privatkunden sei je nach persönlichem Risikoempfinden eine Festgeldanlage zu jetzt wieder besseren Zinsen oder der Aktien-Kauf empfehlenswert. Direkt in eine Firma zu investieren, berge ein deutlich höheres Risiko in sich.
Diskretion ist wichtige Geschäftsgrundlage
Derzeit betreut der Jenaer sieben Firmen. Über deren Namen darf er nicht sprechen. „Diskretion ist sehr wichtig“, sagt der Berater, der viel unterwegs ist. „Ich arbeite jeden Tag, muss spontan und sehr flexibel reagieren.“ Zumal er bei Verhandlungen auf persönliche Präsenz statt Videokonferenzen setzt. „Ich fahre beim Kunden erst weg, wenn der Job erledigt ist.“
© Text & Foto: Tino Zippel, 31.08.2023
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